Die innere Freiheit der Richter – Leserbrief an die Presse | FWU | Forum Wissenschaft & Umwelt

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Ausführungen von VfGH-Präsident Holzinger in Alpbach und im Interview mit der Presse stimmen nachdenklich:

Zurecht kritisiert er, dass die Mehrheitspartei in Polen (durch gesetzliche Regelungen) „hemmungslos nach dem Verfassungsgericht greift“. Demokratie und Rechtsstaat würden so gegeneinander ausgespielt.

Ergänzen sollte er, dass es der österreichischen Politik – und keineswegs nur einer Partei – selbstverständlich ist, zumindest in vermeintlich wichtigen Fällen Druck auf Gerichte und Richter auszuüben. Jüngstes Beispiel: Die Reaktionen auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur 3. Piste beim Flughafen Wien, wo Gerichte und Richter von Projektwerbern, Interessenvertretungen und Politikern – zurückhaltend formuliert – verbal heftig attackiert wurden, die Landeshauptleute den Gerichten Entscheidungen entziehen wollten und schließlich in einer Ho – Ruck – Aktion die Bundesverfassung spontan geändert werden sollte.

Holzinger bekennt sich weiters dazu, von staatlichen Organen erlassene Regelungen auch dann zu befolgen, wenn sie den eigenen Interessen zuwiderlaufen. Die Politik hat das in unserem Beispiel verweigert – und der VfGH und Holzinger sind ihr mit ihrer Entscheidung gefolgt. Wurden die Entscheidungsgrundlagen des VfGH kritisch geprüft? Es können ja Richter nicht firm sein in allen naturwissenschaftlichen, ökonomischen, … Fragen, um die es hier geht. In der juristischen Methodik sollten sie es freilich sein – wobei beide Qualifikationen in der Presse ja schon in Frage gestellt wurden (siehe Madner und Schulev – Steindl im Rechtspanorama). Hat hier das Gericht diensteifrig dem überdeutlich geäußerten politischen Willen nachgegeben – ganz ohne „polnische Gesetze“?

erschüttert und deprimiert
Prof. Dr. Reinhold Christian
geschäftsführender Präsident, Forum Wissenschaft & Umwelt

PS.: Solche Vorfälle legen übrigens nahe, auch den Modus der Bestellung unserer Höchstrichter hinsichtlich (partei-)politischer Unabhängigkeit zu hinterfragen.