Sehr geehrte Mitglieder des Verfassungsausschusses,
Ihnen wurde ein Antrag zugewiesen, mit dem Sie „Wachstum, Beschäftigung und einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort“ als Staatsziel in der Verfassung verankern sollen. Dies ist offensichtlich die Reaktion darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, dass der Bau einer dritten Piste am Flughafen Schwechat weniger im öffentlichen Interesse liegt als der Klimaschutz.
Wir könnten Sie nun daran erinnern, dass sich Österreich ebenso wie 195 andere Staaten der Welt im Klimaabkommen von Paris dazu verpflichtet hat, den Klimawandel samt seinen katastrophalen –
auch wirtschaftlichen – Folgen so stark wie möglich zu begrenzen.
Wir könnten Ihnen ferner darüber berichten, dass dank Umwelt- und Klimaschutz bereits zehntausende Arbeitsplätze in Österreich entstanden sind und noch wesentlich mehr entstehen werden, wenn man diesen Weg konsequent weitergeht. Wir könnten Sie darauf hinweisen, dass Österreichs Unternehmen dafür aber klimapolitisch stabile Rahmenbedingungen benötigen, und keinen unberechenbaren Schlingerkurs.
Wir schreiben an Sie heute jedoch in Ihrer Rolle als Mitglied des Verfassungsausschusses. Daher richten wir an Sie nur folgende Bitte:
Lassen Sie nicht den Missbrauch der Verfassung für eine Anlassgesetzgebung zu. Missbrauchen Sie die Verfassung nicht für eine unangebrachte und unüberlegte Panikreaktion, bei der keine öffentliche Debatte über die nüchternen Fakten geführt wurde:
Etwa, dass laut 6. UVP-Bericht zwischen 2000 und 2014 nur 13 Projekte (3 %) in der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nicht genehmigt wurden. Oder darüber, dass die 1. Instanz von UVP-Verfahren im Schnitt innerhalb von 9 Monaten nach vollständiger Vorlage der Unterlagen beendet ist – und das, obwohl es sich dabei um die größten Bauprojekte Österreichs handelt.
Wirtschafts-, Umwelt-, Verkehrs- und Sozialministerium führen seit geraumer Zeit einen Prozess zur Entwicklung einer integrierten Energie-und Klimastrategie. Darüber hinaus beschäftigt sich eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundeskanzleramts damit, wie die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals; SDGs) in Österreich umgesetzt werden können.
Die Frage, wie eine Wirtschaftspolitik, die Standort und Arbeitsplätze sichert, mit den Verpflichtungen des Pariser Klimaschutzabkommens und der Agenda 2030 Hand in Hand geht, muss im Rahmen dieser Prozesse geklärt werden –nicht aber im Verfassungsausschuss. Eine Verfassungsbestimmung, die falsche Schlüsse zementiert, darf kein Ersatz sein für sachliche Diskussionen und politische Entscheidungen.
Sehr geehrte Mitglieder des Verfassungsausschusses, wir fordern Sie daher eindringlich dazu auf, diesen Antrag auf Verankerung von Wachstum, Beschäftigung und einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort als Staatsziel abzulehnen, um eine umfassende politische Debatte und Auseinandersetzung über die volkswirtschaftlichen und ökologischen Wechselwirkungen nicht vorweg zu nehme
Alexander Egit
Geschäftsführer
Greenpeace CEE
Leonore Gewessler
Geschäftsführerin
Global 2000
Andrea Johanides
Geschäftsführerin
WWF Österreich
Birgit Mair-Markart
Geschäftsführerin
Naturschutzbund Österreich
Peter Weish
Präsident
Forum Wissenschaft & Umwelt
Markus Hafner-Auinger
Geschäftsführer
Klimabündnis Österreich
Thomas Alge
Geschäftsführer
ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung